Page 98 - Jubibroschuere_2019
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Soziale Arbeit
Schlussfolgerungen
Der dargestellte Auszug unserer Ergebnisse
liefert im Rahmen eines explorativen Ansatzes
Hinweise darauf, wo Entwicklungen bei Teilneh-
menden stattfinden, die für die zukünftige Aus-
gestaltung erinnerungspädagogischer Angebote
von Bedeutung sein können. Anhand der Selbst-
und Fremdbeschreibungen, der Erläuterung der
persönlichen Wahrnehmungen und des eigenen
Erlebens in den Interviews wie in den Fremdbe-
schreibungen der teilnehmenden Beobachtungen
gilt es, diese Dynamiken internationaler Begeg-
nungen im erinnerungspädagogischen Rahmen
weitergehend zu analysieren.
Zwei wesentliche Punkte dürften anhand der
Umfrageergebnisse deutlich werden: Zum einen
scheint die Teilnehmendengruppe dieser Projekte
Abb. 6: Bedeutung überwiegend aus jungen Menschen zu bestehen,
von Geschichte die schon vor den Begegnungen ein eher offenes
(Quelle: eigene Darstellung) Verhältnis zum geschichtlichen Thema ebenso
wie zu internationalen bzw. interkulturellen Kon-
takten angeben. Fraglich bleibt hier, inwiefern es
diesbezüglich auch eine veränderte Einstellung möglich bzw. nötig ist, mit solchen Programmen
zur eigenen Wirkmächtigkeit ab (vgl. Abb. 8). Kinder und Jugendliche anzusprechen, die eher
Einige Personen scheinen im Nachgang der wenig Zugang zum Thema oder der Form des
Projekte weniger einen klaren Eindruck von ihrem Austauschs haben. Zum anderen zeigen sich ver-
eigenen Einfluss auf Krieg und Frieden zu haben: schiedene, scheinbar ambivalente Tendenzen in
Nur noch knapp sechs statt der vorherigen den erlebten Effekten der internationalen Begeg-
16 Prozent geben im Nachhinein an, sich sicher nungen: Die meisten Teilnehmer*innen der Um-
zu sein, dass sie Kriegs- oder Friedenszustände frage gestehen dem Ereignis des Ersten Weltkrie-
beeinflussen können. Während bei der Nach- ges eine Wichtigkeit in der Geschichte Europas
befragung ein ähnlich hoher Anteil der Befragten zu, welches in Bezug auf aktuelle Geschehnisse
der Einstellung zustimmt, (eher) wenig Einfluss immer noch Relevanz besitzt. Obgleich über-
nehmen zu können, zeichnet sich gleichzeitig proportional viele Teilnehmende das Thema des
eine größere Tendenz zur Idee des teilweisen Ersten Weltkrieges als ein wichtiges bezeichnen
Einflusses ab. Ob dies als Zeichen für gewach- und den mahnenden Charakter der Geschichte
senen Realismus, Pessimismus oder aber ein weitgehend bestätigen, scheint die konkrete
komplexeres Verständnis der Einflussfaktoren auf Beschäftigung mit den vergangenen Ereignissen
Friedens- und Konfliktprozesse gelesen werden eher eine konkrete Sorge um die Wiederkehr
kann, wird hieraus nicht ersichtlich. Deutlich wird eines Krieges zu schüren. Gleichzeitig geben die
allerdings, dass die Teilnehmenden in ihrem Ant- Teilnehmer*innen tendenziell eine Steigerung ihrer
wortverhalten eher eine subjektive Möglichkeit Zukunftssorgen im Allgemeinen an. Während
der Einflussnahme in Betracht ziehen. die zunehmende Unsicherheit hinsichtlich des
eigenen Einflusses auf den gesamtgesellschaft-
Obgleich die teilnehmenden jungen Menschen lichen Zustand von Krieg oder Frieden (in Europa)
nach Projektteilnahme weniger Sicherheit bei der als tendenzielle Irritation von Gewissheiten ge-
Frage der Selbstwirksamkeit in diesem Bereich lesen werden kann, scheinen sich gleichermaßen
anzeigen, scheinen anteilig mehr Teilnehmende konkretere Vorstellungen sowie ein gesteigertes
eine konkrete Idee von der Zukunft ihrer Gesell- Gefühl von Entschlossenheit (Engagement und
schaft entwickelt zu haben (vgl. Abb. 9). Mut) bei den Teilnehmer*innen auszubilden.
41 Prozent haben nun (eher) eine Vorstellung der
zukünftigen gesellschaftlichen Konstitution, über An dieser Stelle könnte in Anlehnung an das Mo-
70 Prozent geben an, nun zumindest teilweise dell des Kohärenzgefühls von Aaron Antonovsky
konkretere Ideen dazu zu haben, wie sie sich die die Frage angeschlossen werden, inwiefern die
Zukunft ihrer Gesellschaft wünschen („Trifft völlig Dimensionen Verstehbarkeit, Bedeutsamkeit
zu“ 13 Prozent; „Trifft eher zu“ 26 Prozent; „teils/ und – vor allem – Handhabbarkeit in der erinne-
teils“ 31 Prozent). rungspädagogischen Gestaltung der Projekte