Page 94 - Jubibroschuere_2019
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Soziale Arbeit
Aus der Geschichte für die Zukunft lernen?
Erinnerungspädagogische Ansätze in internationalen
Jugendbegegnungen
Prof. Dr. Simone Odierna
Fakultät für Sozialwissenschaften
Diemut König
FITT gGmbH – Institut für Technologietransfer an der htw saar
In den letzten Jahren stand die politische und Im Folgenden wird zunächst die Begleitfor-
kulturelle Bildung häufig im Zeichen der Erinne- schung der internationalen Jugendbegegnungen
rung an den Ersten Weltkrieg. Auch in interna- vorgestellt, um anschließend auf einige Ergebnis-
tionalen jugendpolitischen Begegnungen wurde se der quantitativen Totalerhebung zu Einstellun-
das hundertjährige Gedenken im Zeitraum von gen, Interessen, Denk- und Wahrnehmungswei-
2014 bis 2018 genutzt, um erinnerungspäda- sen der Teilnehmenden einzugehen.
gogische Angebote verschiedenster Art zu den
Themen „Krieg und Frieden“ zu gestalten und „100 Jahre Erster Weltkrieg, 100 Projek-
zukünftige Möglichkeiten eines friedlichen Mit- te für den Frieden in Europa“ – beglei-
einanders innerhalb wie außerhalb Europas zu tende Forschung zu einer Projektreihe
diskutieren. Das Deutsch-Französische Jugend- des Deutsch-Französischen Jugendwerks
werk (DFJW) hat mit der Projektreihe „100 Jahre
Erster Weltkrieg, 100 Projekte für den Frieden Die Begleitforschung wird von einer interdiszipli-
in Europa“ die Erinnerung an die geschichtlichen nären, deutsch-französischen Forschungs- Abb. 1: Forschungsmethoden
Ereignisse über fünf Jahre hinweg durch Projekte kooperation zwischen der htw saar/FITT (Quelle: eigene Darstellung)
unterstützt, die zivilgesellschaftliches Engage- gGmbH, der Université de Lorraine sowie dem
ment fördern. Damit verbunden ist die Vor- Mémorial de Verdun durchgeführt. Französische
stellung, dass diese Projekte perspektivisch zur und deutsche, sozialwissenschaftliche und
Aktivierung junger Menschen bei der Beteiligung historische Perspektiven werden in einem Mixed-
an der europäischen Gedenk-, Erinnerungs- Methods-Design (Kelle 2014) gekreuzt. Ziel
und Wertekultur beitragen könnten. „Das DFJW dieses Designs ist es, den potentiellen Heraus-
möchte mit dieser besonderen Form der Projekt- forderungen sowie den Chancen erinnerungs-
förderung junge Menschen, Träger der Jugend- pädagogischer Ansätze in der internationalen
und Bildungsarbeit sowie zivilgesellschaftliche Jugendarbeit sowohl aus den Perspektiven der
Vereine und Verbände in beiden Ländern Projektbeteiligten (d. h. der Teilnehmenden der
ermutigen, gemeinsam Projekte zu entwickeln. Projektreihe und der Durchführenden) auf den
Ziel ist es, jungen Menschen europäische Werte Grund zu gehen als auch die Praktiken des „Sich
und deren Bedeutung näherzubringen und sie Begegnens“ im Projekt zu untersuchen. Mithilfe
dazu anzuregen, sich aktiv an der europäischen von Interviews sowie teilnehmender Beobach-
Gedenk- und Erinnerungsarbeit zu beteiligen.“ 1 tung als wesentlicher Methoden der ethnogra-
Inwiefern diese Idee in der Praxis Bestand hat phischen Forschungsstrategie (Friebertshäuser/
bzw. inwieweit die Teilnehmenden selbst Effekte Langer 2013; Friebertshäuser/ Panagiotopoulou
dieser Begegnungen für sich sehen, wurde 2013) sowie einer quantitativen Totalerhebung
projektbegleitend erforscht. Die Ergebnisse aller Projektteilnehmenden über eine Online-
der Evaluation sollen es ermöglichen, Verant- Befragung soll die Multiperspektivität des
wortlichen und Förderern der internationalen Erlebens der Projekte eingefangen werden.
Jugendarbeit Impulse und Empfehlungen für
eine Weiterentwicklung der Bildungsarbeit im Im Rahmen der quantitativen Untersuchung fand
internationalen, erinnerungspädagogischen im Zeitraum der letzten drei Jahre eine Totalerhe-
Kontext zu geben. bung statt. Alle Teilnehmer*innen der einhundert
1 https://www.dfjw.org/forschung-und-evaluierung/100-jahre-erster-weltkrieg-100-projekte-fur-den-frieden-in-europa.html