Page 30 - Jubibroschuere_2019
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Digitale Wirtschaft
Online-Bewertungen heben zum überwiegenden
Teil positive Aspekte des gekauften Produkts
oder der genutzten Dienstleistung heraus. Tat-
sächlich orientieren sich viele Verbraucher jedoch
an den negativen Bewertungen sowie deren
Relevanz für sie persönlich. Kaum ein Unterneh-
men im Konsumbereich kann entsprechend auf
Kundenbewertungen verzichten, allerdings sind
diese aufgrund ihrer eingeschränkten Steuerbar-
keit („Earned Media“) für Unternehmen sowohl
mit Chancen als auch mit Risiken verbunden.
Während positive Bewertungen zu Umsatzstei-
gerungen und Publicity führen, kann negativer
eWoM zu Umsatzverlusten und im schlimmsten
Fall zu Rufschädigung führen.
Mit der Wahrnehmung von positiven, negativen
sowie neutralen Kundenrezensionen beschäf-
tigt sich ein zweites Projekt des htw-saar-For-
schungsteams „Electronic Word-of-Mouth“. Im
Rahmen eines empirischen Marketingseminars
wurden mit Hilfe von Eye-Tracking-Technologie
die Blickdaten von Probanden beim Anschauen
von Amazon-Produktseiten aufgezeichnet. Die Abb. 2: Heat-Map zur Visualisierung der Aufmerksamkeitswirkung von Rezensionen
Ergebnisse des Experiments bestätigten den so (Quelle: eigene Darstellung)
genannten „Negativity Bias“. Dieser umschreibt
die Neigung, negativen Informationen mehr
Aufmerksamkeit zu schenken als positiven oder
neutralen Informationen. Genauer wurden nega-
tive Kundenbewertungen in diesem Experiment
länger von den Probanden fixiert als positive Präferenzen ihrer Unternehmenskunden bezüg-
oder neutrale Bewertungen. Abbildung 2 zeigt lich dieser Ausgestaltungskriterien zu kennen.
eine sog. Heat-Map, die den Fixierungs-Effekt Mit dieser Thematik beschäftigt sich das dritte
für unterschiedliche Bewertungen visualisiert. eWoM-Projekt von Professor Dr. König. Als Me-
Allerdings variiert der Negativity Bias je nach- thode zur Präferenz-Messung wird im Marketing
dem, welchen Produkt-Typ man betrachtet. häufig die Conjoint-Analyse eingesetzt, die – auf
Produkte, die dem Verbraucher Schutz bieten Basis von Auswahlentscheidungen der Befragten
(z. B. Auto-Lenkradsperre), zeigen einen stärker – den Nutzenbeitrag der einzelnen Gestaltungs-
ausgeprägten Effekt als Produkte, die Freude parameter berechnen kann. Hierzu werden den
im Leben bereiten (z. B. Autoradio). Die Ergeb- Befragten mehrere „Produktpakete“ gleichzeitig
nisse legen nahe, dass eWoM-Strategien von zur Auswahl gestellt und dieser Auswahlprozess
Unternehmen (z. B. Reaktionen auf negative wird einige Male für unterschiedliche Produktpa-
Reviews) jeweils an den bewerteten Produkt-Typ kete wiederholt.
angepasst werden sollten (vgl. Hellenthal/König/
Joly-Mascheroni 2019). In zwei Erhebungswellen wurden zunächst
Online-Shops, dann Unternehmen aus der so-
Möchte ein Unternehmen nun seine Leistung genannten Old-Economy befragt. Im Ergebnis
online bewerten lassen, steht es einer Fülle liefert die Conjoint-Analyse Nutzenfunktionen für
von Möglichkeiten gegenüber, nach denen ein jede Ausgestaltungseigenschaft (vgl. Abb. 3).
Bewertungssystem gestaltet werden kann. Ein Anhand der dargestellten Nutzenstrukturen
Vergleich der gängigen Anbieter zeigt, dass mehr können Anbieter von Online-Bewertungssyste-
als 80 Kriterien bei der Ausgestaltung eines On- men zielgruppengerechte Leistungspakete unter
line-Bewertungssystems berücksichtigt werden Berücksichtigung der entsprechenden Preissen-
können. Für die Betreiber von Online-Bewer- sibilität ihrer Kunden und potenziellen Kunden
tungsplattformen sowie für die Dienstleister im zusammenstellen. Im Ergebnis zeigt sich, dass
Bereich Online-Bewertungen wie beispielsweise v. a. Preis und kommunikative Verbreitung der
eKomi oder Trusted Shops ist es von Vorteil, die Ergebnisse bei den Online-Shops die größte