Page 97 - HTW_25_Jahre_Forschung
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Ausgangslage kultursensiblen Versorgung pflegebedürftiger
MigrantInnen in der häuslichen Pflege sind
In Deutschland hat gegenwärtig knapp ein Fünf- bisher kaum beforscht (Kolleck 2007; Lotze/
tel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund Hübner 2008). An dieser Stelle setzt das hier
(Brzoska, Razum 2011; Stat. Bundesamt 2013). vorgestellte, von der htw saar finanziell geför-
Auch im Saarland überwiegt seit Jahren die An- derte, qualitativ-empirische Forschungsprojekt
zahl der Zuzüge im Verhältnis zu den Fortzügen an. Erfahrungen und Erleben in der Versorgung
von MigrantInnen (BAMF 2008-2012). Wenngleich älterer MigrantInnen nebst den spezifischen
die Statistiken keine genauen Prognosen erlau- Herausforderungen, die einen Einfluss auf die
ben, muss davon ausgegangen werden, dass Versorgungsqualität nehmen, werden aus dem
der Anteil an MigrantInnen auch zukünftig stark Blickwinkel der Pflegefachkräfte – Insider und
zunehmen wird (Schopf, Naegele 2005). Die Zu- beteiligte Akteure des Pflegegeschehens –
nahme an älteren MigrantInnen stellt nicht nur erfasst. Vorrangiges Ziel der Studie ist es, die
neue Herausforderungen an die gesundheitliche, vorhandenen Ressourcen, Ansätze und Barrieren
sondern auch an die pflegerische Versorgung einer kultursensiblen Pflege in der ambulanten
dieser Bevölkerungsgruppe. Stationäre Pfle- Pflege zu identifizieren.
geeinrichtungen wie ambulante Pflegedienste
stehen kurz- bis mittelfristig einer steigenden Methode/Design
Nachfrage nach bzw. Inanspruchnahme von
professionellen Pflegedienstleistungen durch Für die Studie wurde ein qualitativer Zugang mit
Personen mit Migrationshintergrund gegenüber dem Verfahren einer triangulativen Kombination
(Brzoska, Razum 2011; Barg et al. 2013). der Methoden des problemzentrierten Interviews
(Witzel) und der Durchführung von Fokusgrup-
Dabei gilt vor allem zu beachten, dass sich die pen gewählt. Gemeinsam mit Studierenden des
Bedürfnisse von Menschen mit Migrationshinter- Bachelor-Studiengangs „Management und Ex-
grund im Vergleich zu denen der einheimischen pertise im Pflege- und Gesundheitswesen“ wurde
Bevölkerung mitunter stark unterscheiden, ein semistrukturierter, episodische Erzählauffor-
z. B. in Bezug auf Pflegeinterventionen, Tabu- derungen beinhaltender Interviewleitfaden ent-
und Schamgrenzen sowie Höflichkeitsregeln wickelt. Die Gruppe der innerhalb des Saarlandes
(Brzoska, Razum 2009). Mold et al. (2005) weisen rekrutierten StudienteilnehmerInnen (n=43)
darauf hin, dass die Leistungserbringer reagieren setzt sich aus Pflegefachkräften zusammen, die
und Pflegeangebote vorhalten müssen, die den in der direkten ambulanten Patientenversorgung
Bedürfnissen von MigrantInnen, eingeschlos- tätig sind. Ein Teil von ihnen weist selbst einen
sen ihrer Ethnie, gerecht werden (siehe auch Migrationshintergrund auf.
Wingenfeld 2003; Schopf, Naegele 2005; Brzoska,
Razum 2011). Die Datenauswertung erfolgte nach den Regeln
der strukturierten Inhaltsanalyse nach Mayring.
Die Erfahrungen und Sichtweisen professionell Die Fokusgruppen, zu denen das gesamte Sam-
95 Pflegender zu den Herausforderungen einer ple der Interviewten eingeladen wurde, fand wie-