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aus forschung und wissenstransfer mangel an diversität im kultursektor 67
Mangel an Entwicklung des Diversity
Management-Konzepts
Diversität im lter, bunter, weniger« Das Thema Vielfalt der Gesellschaft prägt seit einigen Jahren
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– dieser Slogan wird
zunehmend den öffentlichen Diskurs. Aktuell wird im Rahmen
Kultursektor »Ä mit der deutschen Ge- der ›Black Lives Matter‹-Bewegung insbesondere gegen Ras-
sismus und Diskriminierung gegenüber Schwarzen und Peo-
sellschaft assoziiert, denn diese ist in
den letzten Jahrzehnten aufgrund
ple of Color protestiert. Dabei hat sich das sogenannte Diver-
von Phänomenen wie dem demografi-
sity-Konzept bereits ab den 1950er Jahren durch US-ame-
Eine Untersuchung der schen Wandel und Migration stetig rikanische Bürgerrechtsbewegungen entwickelt, die 1964 mit
der Verabschiedung des Title VII of Civil Rights Act zur
vielfältiger geworden. Damit stehen
nicht nur Politik, Wirtschaft und Me-
Begründung der gesetzlichen Grundlage für Vielfalt und
Prozesse und Strukturen dien vor der Herausforderung, Teil- Gleichstellung am Arbeitsplatz führten. Diversity Manage-
ment etablierte sich schließlich Mitte der 1980er Jahre erst-
habe und Inklusion von marginalisier-
ten Gruppen aktiv zu fördern. Auch der
mals in Wirtschaftsunternehmen, um frühzeitig auf demo-
in Kulturorganisationen Kulturbereich muss sich den gesell- grafische Veränderungen zu reagieren und Vielfalt aus gesetz-
schaftlichen Veränderungsprozessen
lichen, ethisch-moralischen sowie ökonomischen Gründen
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soll Aufschluss geben stellen. Allerdings spiegeln die deut- zu berücksichtigen. Dennoch besteht noch immer Nachhol-
schen Kunst- und Kulturorganisatio-
bedarf, beispielsweise bei Themen wie Geschlechtervielfalt
in den deutschen DAX-Unternehmen.
nen die zunehmende Vielfalt der Ge-
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sellschaft trotz aktueller Debatten in
den Bereichen Personal, Programm
und Publikum nicht wider. Mangel an Vielfalt auch in
text Prof. Dr. Hellen Gross, Welche Prozesse, Aktivitäten und Kulturorganisationen
Eva-Maria Kaempffe, M.A. Strukturen zur Diversitätsförderung
in Kulturorganisationen existieren
und aus welchen Gründen die soge- Ähnlich sieht es im Kulturbereich aus. Ein aktuelles Beispiel
nannte diversitätsbezogene Öffnung liefert eine Initiative von Studierenden der Berliner Universi-
nicht oder nur teilweise gelingt, unter- tät der Künste, die im Zeichen der ›Black Lives Matter‹-Bewe-
sucht nun ein Forschungsteam der gung auf Rassismus und Diskriminierung aufmerksam macht.
Fakultät für Wirtschaftswissenschaf- Es werden Fragestellungen aufgeworfen, inwiefern margina-
ten. Prof. Dr. Hellen Gross und Eva- lisierte Personen als Lehrende und Studierende sowie im
Maria Kaempffe aus dem Fachbereich Rahmen einer thematischen Behandlung in Vorlesungsinhal-
Nonprofit Management und Kultur- ten repräsentiert werden. Dabei ist festzustellen, dass sich
management erhalten dabei koope- die Vielfalt der pluralen deutschen Gesellschaft nicht in künst-
rative Unterstützung vom Institut für lerischen Studiengängen abbildet und der Missstand in den
Kulturpolitik der Kulturpolitischen Kulturorganisationen somit bereits in der Ausbildung ein-
Gesellschaft e.V. Das Forschungspro- setzt . Schließlich entscheidet die Frage, wer an einer deut-
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jekt startete am 1. Mai 2020 mit einer schen Kunsthochschule studieren darf auch, wer dem künst-
Laufzeit von 12 Monaten. lerischen Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.
Bereits vor über 40 Jahren erlangte jedoch die kultur-
politische Forderung ›Kultur für alle‹ im Sinne der kulturellen
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Teilhabe und dem gleichberechtigten Zugang zur Kultur gro-
ße Aufmerksamkeit in Kulturorganisationen. Dieser Ansatz
wurde im Laufe der vergangenen Jahre dahingehend erwei-
tert, dass Kultur in Theatern, Museen oder Orchesterbetrie-
ben nicht nur für alle, sondern auch mit allen und von allen
gelten soll. Doch auch hier stellt sich die Frage, wer im künst-
lerischen Programm repräsentiert und als Publikum ange-
sprochen wird oder wer ›auf der Bühne‹ steht und ›hinter den