Page 66 - Sichtbar_2_2020
P. 66

aus forschung und wissenstransfer                                                                                      mangel an diversität im kultursektor                                67



                        Mangel an                                                                                                                                            Entwicklung des Diversity

                                                                                                                                                                             Management-Konzepts

                        Diversität im                                                                                                            lter, bunter, weniger«      Das Thema Vielfalt der Gesellschaft prägt seit einigen Jahren
                                                                                                                                                                       1
                                                                                                                                                 – dieser Slogan wird
                                                                                                                                                                             zunehmend den öffentlichen Diskurs. Aktuell wird im Rahmen
                        Kultursektor                                                                                               »Ä mit der deutschen Ge-                  der ›Black Lives Matter‹-Bewegung insbesondere gegen Ras-
                                                                                                                                                                             sismus und Diskriminierung gegenüber Schwarzen und Peo-
                                                                                                                                   sellschaft assoziiert, denn diese ist in
                                                                                                                                   den letzten Jahrzehnten aufgrund
                                                                                                                                                                             ple of Color protestiert. Dabei hat sich das sogenannte Diver-
                                                                                                                                   von Phänomenen wie dem demografi-
                                                                                                                                                                             sity-Konzept bereits ab den 1950er Jahren durch US-ame-
                        Eine Untersuchung der                                                                                      schen Wandel und Migration stetig         rikanische Bürgerrechtsbewegungen entwickelt, die 1964 mit
                                                                                                                                                                             der Verabschiedung des Title VII of Civil Rights Act zur
                                                                                                                                   vielfältiger geworden. Damit stehen
                                                                                                                                   nicht nur Politik, Wirtschaft und Me-
                                                                                                                                                                             Begründung der gesetzlichen Grundlage für Vielfalt und
                        Prozesse und Strukturen                                                                                    dien vor der Herausforderung, Teil-       Gleichstellung am Arbeitsplatz führten. Diversity Manage-
                                                                                                                                                                             ment etablierte sich schließlich Mitte der 1980er Jahre erst-
                                                                                                                                   habe und Inklusion von marginalisier-
                                                                                                                                   ten Gruppen aktiv zu fördern. Auch der
                                                                                                                                                                             mals in Wirtschaftsunternehmen, um frühzeitig auf demo-
                        in Kulturorganisationen                                                                                    Kulturbereich muss sich den gesell-       grafische Veränderungen zu reagieren und Vielfalt aus gesetz-
                                                                                                                                   schaftlichen Veränderungsprozessen
                                                                                                                                                                             lichen, ethisch-moralischen sowie ökonomischen Gründen
                                                                                                                                                                                               2
                        soll Aufschluss geben                                                                                      stellen. Allerdings spiegeln die deut-    zu berücksichtigen.  Dennoch besteht noch immer Nachhol-
                                                                                                                                   schen Kunst- und Kulturorganisatio-
                                                                                                                                                                             bedarf, beispielsweise bei Themen wie Geschlechtervielfalt
                                                                                                                                                                             in den deutschen DAX-Unternehmen.
                                                                                                                                   nen die zunehmende Vielfalt der Ge-
                                                                                                                                                                                                               3
                                                                                                                                   sellschaft trotz aktueller Debatten in
                                                                                                                                   den Bereichen Personal, Programm
                                                                                                                                   und Publikum nicht wider.                 Mangel an Vielfalt auch in
                        text Prof. Dr. Hellen Gross,                                                                                   Welche Prozesse, Aktivitäten und      Kulturorganisationen
                        Eva-Maria Kaempffe, M.A.                                                                                   Strukturen zur Diversitätsförderung
                                                                                                                                   in Kulturorganisationen existieren
                                                                                                                                   und aus welchen Gründen die soge-         Ähnlich sieht es im Kulturbereich aus. Ein aktuelles Beispiel
                                                                                                                                   nannte diversitätsbezogene Öffnung        liefert eine Initiative von Studierenden der Berliner Universi-
                                                                                                                                   nicht oder nur teilweise gelingt, unter-  tät der Künste, die im Zeichen der ›Black Lives Matter‹-Bewe-
                                                                                                                                   sucht nun ein Forschungsteam der          gung auf Rassismus und Diskriminierung aufmerksam macht.
                                                                                                                                   Fakultät für Wirtschaftswissenschaf-      Es werden Fragestellungen aufgeworfen, inwiefern margina-
                                                                                                                                   ten. Prof. Dr. Hellen Gross und Eva-      lisierte Personen als Lehrende und Studierende sowie im
                                                                                                                                   Maria Kaempffe aus dem Fachbereich        Rahmen einer thematischen Behandlung in Vorlesungsinhal-
                                                                                                                                   Nonprofit Management und Kultur-          ten repräsentiert werden. Dabei ist festzustellen, dass sich
                                                                                                                                   management erhalten dabei koope-          die Vielfalt der pluralen deutschen Gesellschaft nicht in künst-
                                                                                                                                   rative Unterstützung vom Institut für     lerischen Studiengängen abbildet und der Missstand in den
                                                                                                                                   Kulturpolitik der Kulturpolitischen       Kulturorganisationen somit bereits in der Ausbildung ein-
                                                                                                                                   Gesellschaft e.V. Das Forschungspro-      setzt . Schließlich entscheidet die Frage, wer an einer deut-
                                                                                                                                                                                  4
                                                                                                                                   jekt startete am 1. Mai 2020 mit einer    schen Kunsthochschule studieren darf auch, wer dem künst-
                                                                                                                                   Laufzeit von 12 Monaten.                  lerischen Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.
                                                                                                                                                                                Bereits vor über 40 Jahren erlangte jedoch die kultur-
                                                                                                                                                                             politische Forderung ›Kultur für alle‹  im Sinne der kulturellen
                                                                                                                                                                                                             5
                                                                                                                                                                             Teilhabe und dem gleichberechtigten Zugang zur Kultur gro-
                                                                                                                                                                             ße Aufmerksamkeit in Kulturorganisationen. Dieser Ansatz
                                                                                                                                                                             wurde im Laufe der vergangenen Jahre dahingehend erwei-
                                                                                                                                                                             tert, dass Kultur in Theatern, Museen oder Orchesterbetrie-
                                                                                                                                                                             ben nicht nur für alle, sondern auch mit allen und von allen
                                                                                                                                                                             gelten soll. Doch auch hier stellt sich die Frage, wer im künst-
                                                                                                                                                                             lerischen Programm repräsentiert und als Publikum ange-
                                                                                                                                                                             sprochen wird oder wer ›auf der Bühne‹ steht und ›hinter den
   61   62   63   64   65   66   67   68   69   70   71