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70 aus forschung und wissenstransfer pay-what-you-want 71
Alle zahlen, ☞ Im Preiskonzept Name-Your-Own-Price können Brooklyn Museum, das P.S.1 MoMa und das New
Kunden einen beliebigen Preis nennen, welcher
Yorker Metropolitan Museum of Art. Den Besuchern
vom Anbieter nicht abgelehnt werden kann.
stand es beim Kauf der Eintrittskarte frei, welchen
was sie wollen: Zum Schutz vor Verlusten wird hier jedoch in Geldbetrag sie für ihren Besuch bezahlen möchten.
Aber auch in Deutschland boten bereits Zoos, Res-
der Regel ein Mindestpreis festgelegt.
taurants, Hotels und andere Dienstleister PWYW
☞ Vorwiegend für Museen entwickelten Frey und an. Sie alle erhofften sich durch das PWYW-Modell
Wie sich Pay-What-You-Want auf die Zahlungs- Steiner (2010) das Preismodell Pay-As-You-Go, eine Besuchersteigerung und höhere Einnahmen.
das den Eintrittspreis nach der Verweildauer
Allerdings scheint diese Hoffnung nicht immer er-
bereitschaft der Besucher*innen der Biennale berechnet. Wer also nur einen Blick in die Aus- füllt worden zu sein, da die ersten Organisationen
stellung wirft, zahlt weniger als Besucher, die
das PWYW-Model ganz oder zum Teil wieder zu-
für aktuelle Fotografie auswirkt im Museum verweilen. rückgenommen haben. Ob durch PWYW tatsächlich
die Zahlungsbereitschaft der Kunden und damit
☞ Schwankende Flugpreise sind mittlerweile all- auch die Einnahmen steigen, ist in der Forschung
m partizipativen Preisbildungsmecha- täglich geworden. Auch im Kultursektor findet noch umstritten. Ebenfalls noch unklar ist, wie
nismus »Pay-What-You-Want« PWYW das Dynamic Pricing allmählich Einzug. Der Leis- unterschiedliche Zahlungsempfehlungen (externe
I steckt viel Potential für gemeinnützige tung wird hierbei in der Preisdifferenzierung Referenzpreise) sich auf das Zahlungsverhalten
Kulturorganisationen, wenn es richtig ge- kein fester Preis zugeordnet. Vielmehr wird im auswirken. Daher ist der partizipative Preisbildungs-
macht wird. Das zeigen die Ergebnisse eines Moment der Nachfrage ein individueller Preis mechanismus PWYW für Organisationen und
Feldexperiments von Prof. Dr. Hellen Gross für den Kunden angeboten, welchen er entwe- Wissenschaft gleichermaßen von hohem Interesse.
(htw saar) in Kooperation mit Maren Rottler der akzeptiert oder ablehnt und zu einem spä-
und Dr. Franziska Wallmeier (beide Univer- teren Zeitpunkt akzeptieren kann.
sität Mannheim) und der Mannheimer Bien-
nale für aktuelle Fotografie zum partizipa- ☞ Im US-amerikanischen Theater »Arena Stage« Untersuchung zu den Aus-
tiven Preismodell. bezahlen Besucher unter 30 Jahren den Pay- wirkungen unterschiedli-
Die öffentlichen Ausgaben für Kunst und Your-Age-Preis, der sich nach dem Alter berech-
Kultur steigen jährlich. Und dennoch reicht die net. Um einen zu großen Sprung zwischen den cher PWYW-Preisstrategien
finanzielle Förderung seitens des Bundes und ermäßigten und vollen Preisen zu verhindern,
der Länder kaum aus, um die immer weiter zahlen Schüler und Studenten hier pro Lebens- Ziel des Feldexperiments von Prof. Dr. Hellen Gross,
steigenden Kosten von Kultureinrichtungen zu jahr ihres Alters einen US-Dollar (im Alter von Maren Rottler und Dr. Franziska Wallmeier in Zu-
decken. Insbesondere die Personalkosten, 25 Jahren zahlt der Besucher somit 25 US-Dollar). sammenarbeit mit der Biennale für aktuelle Foto-
aber auch die Preise für Miete, Versicherungen, grafie war es, die Auswirkungen unterschiedlicher
Strom sowie Sachmittel steigen stetig an und ☞ Beim partizipativen Preisbildungsmechanismus Preisstrategien auf die Höhe der gezahlten Geld-
können allein durch die Finanzierung der Pay-What-You-Want haben Dienstleistungen beträge im PWYW-Setting zu analysieren. Weil bei
öffentlichen Hand nicht mehr vollständig begli- und Produkte ebenfalls keinen festen Preis. Die der PWYW-Bezahlung externe Referenzpreise als
chen werden. Besucher entscheiden aktiv, welchen Preis sie die treibende Kraft für die Preisentscheidungen bei
dafür bezahlen wollen, wobei dieser von Null bis Kunden vermutet werden, wurden im Experiment
unendlich reichen kann. verschiedene Zahlungsempfehlungen an aufgestell-
Nur eigene Einnahmen ten PWYW-Säulen von den Forscherinnen ange-
bracht (zu sehen auf Foto 1). Im Wechsel wurde kein
ermöglichen Kulturorga- Großes Interesse am Referenzpreis, ein Minimalpreis von 4 Euro, ein
nisationen einen Preismodell – sowohl in Maximalpreis von 15 Euro sowie ein Richtwert von
7 Euro den Besuchern als Orientierung angegeben.
finanziellen Spielraum der Forschung als auch ein Hinweis auf einen eher kleineren Geldbetrag in
Die Ergebnisse des Experiments zeigten, dass
in der Praxis Form eines Minimalpreises oder Richtpreises zu
Wollen Kulturorganisationen ihren finanziellen Zahlungen von geringeren Geldbeträgen führt.
Spielraum erweitern, so müssen sie ihre eige- Außerdem hat die Untersuchung ergeben, dass sich
text Prof. Dr. Hellen Gross; nen Einnahmen erhöhen. Hierfür werden be- Unter den Vorreitern im kulturellen Bereich waren die gezahlten Geldsummen von denen in einem
Maren Rottler, Universität Mannheim; reits die unterschiedlichsten Preiskonzepte bislang vor allem amerikanische Museen wie z. B. Bezahlungssetting ohne externen Referenzpreis
Dr. Franziska Wallmeier, bis 2018 Universität Mannheim getestet (vgl. Schößler 2016): das American Museum of Natural History, das nicht wesentlich unterscheiden. Das entspricht den