Page 41 - Sichtbar_2_2020
P. 41

40  aus forschung und wissenstransfer                  emo-sit                                            41



 Emotionen




 im Fahrersitz




 Ein interdisziplinäres



 Forschungsprojekt der


 htw saar zur Emotions-



 messung mittels


 Fahrzeugsensoren                                                                 Reale Fahrdaten


                                                                                   (Dingus et al. 2016)

                                                                           Wahrscheinlichkeit Autounfall
 text Prof. Dr. T. M. König, Dr. M. V. Hellenthal,
 P. Joachim, Prof. Dr. R. Tiemann, D. Nagel, M. Fries                               x 10





 bstract — Während innovative KI-Systeme wie Affectiva zukünftig   Zeitdruck können laut einer Vielzahl von Studien die
 an Bedeutung gewinnen werden, erforscht ein interdisziplinäres   Fahrsicherheit entscheidend beeinträchtigen (Jeon,   Neutral  Ärger / Trauer  Emotion
 A Forschungsteam aus den Bereichen empirisches Marketing, Psycho-  Walker & Yim 2014).
 logie und Fahrzeugtechnik, inwieweit vorhandene, standardmäßig verbaute   Konkret fand eine Studie des Virginia Tech Trans-  →   Ärger und Trauer steigern das Risiko, in einen
 Fahrzeugtechnologie Potenzial zur Emotionsmessung aufweist. Können klassische   portation Institutes heraus, dass aktivierende Emo-  Autounfall verwickelt zu sein, um das 10-Fache
 Fahrzeugsensoren wie z. B. Beschleunigungs- und Drucksensoren dazu verwen-  tionen wie Ärger, aber auch weniger aktivierende
 det werden, um physiobiologische Emotionsmessungen der Bewegung oder der   Emotionen wie Traurigkeit das Risiko, in einen Auto-  Experimentelle Studie
 Muskelbeanspruchung in Echtzeit vorzunehmen? Das ist die Forschungsfrage,   unfall verwickelt zu sein, um das Zehnfache steigern   (Jeon, Walker und Yim 2014)
 an der das Projekt »Emotionsmessung im Fahrersitz« unter der Leitung von   können (Dingus et al. 2016). Während Dingus et al.
 Professor Dr. Tatjana König, Fachbereich für Wirtschaftswissenschaften, sowie   (2016) reale Fahrdaten mit über 900 Unfällen aus-
 Professor Dr. Rüdiger Tiemann, Fahrzeugtechnik, Labor für Fahrwerk und Fahr-  werteten, wies eine experimentelle Studie von Jeon,
 dynamik, ansetzt.  Walker und Yim (2014) ein ärgerinduziert signifikant
            schlechteres Fahrverhalten nach als bei Probanden,             Qualität Fahrverhalten

 1. Emotionen im Straßenverkehr  welche verschiedene Teststrecken in einem emotio-
            nal neutralen Zustand abfuhren (vgl. Abb. 1). Die
            psychologische Forschung ist sich mittlerweile einig
 Unfälle im Straßenverkehr stellen mit 1,35 Millionen Betroffenen die weltweit   darüber, dass das menschliche Denken und Handeln   Neutral  Ärger  Emotion
 achthäufigste Todesursache dar (WHO 2018). Nach Angaben der Allensbacher   weniger rational geprägt, als vielmehr von Emotionen
 Studie ›Generation Mitte‹ (September 2019) zum gesellschaftlichen Klima in   — wenn auch zu einem großen Teil unbewusst –   →  Ärgerinduziert signifikant schlechteres Fahrverhalten
 Deutschland beklagen über 80 % der Befragten zunehmende Aggressivität ins-  dominiert wird (Nass et al. 2005; Mayer De Groot
 besondere im Netz und im Straßenverkehr. Darüber hinaus bemängeln nahezu   2016). Aufgrund der weitreichenden Folgen erlangt
 80 % der Befragten, dass sie unter stetig zunehmendem Zeitdruck stehen.   die Emotionsforschung im Automobilbereich eine   Abb. 1:     Ergebnisse zweier Studien zum Thema
                                                                          Auswirkungen von Emotionen auf die Fahrsicherheit
 Steigende Aggressivität im Straßenverkehr (›road rage‹) sowie zunehmender   ganz besondere Bedeutung.
   36   37   38   39   40   41   42   43   44   45   46