Page 70 - Jubibroschuere_2019
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Maschinenbau und Verfahrenstechnik
Bakterien, die unverzichtbaren Helfer
in der modernen Aquakultur
Prof. Dr. Uwe Waller
Dr. Anneliese Ernst
Fakultät für Ingenieurwissenschaften | Institut für physikalische Prozesstechnik (IPP-HTW)
Die Fischindustrie in Deutschland berichtet, dass für Mikroorganismen, insbesondere für Bakte-
im Jahr 2017 1,1 Millionen Tonnen Lebensmittel rien. Ein Nahrungsnetz aus für uns kaum zähl-
aus Fischerei und Aquakultur (Seefischerei, Bin- baren Organismen reinigt das Wasser. In einer
nenfischerei, Aquakultur) verkauft wurden. Davon Kreislaufanlage übernehmen mechanische und
wurden 26 % aus eigener Erzeugung gedeckt. biologische Filter die Reinigung des Wassers.
Inklusive der Rohware für die Industrie wurden Bakterien sind auch in diesem System unver-
aber 1,9 Millionen Tonnen Fischereierzeugnisse zichtbare Helfer! Damit sie nicht mit den Fischen
verbraucht, sodass die Eigenversorgung ins- im Fischtank um den so wichtigen Sauerstoff
gesamt nur ungefähr 16 % betrug . Aus diesen konkurrieren, werden den Bakterien in soge-
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Zahlen lässt sich ein Versorgungsdefizit ableiten. nannten Biofiltern große Flächen angeboten, auf
Zudem musste die EU die Fischfang-Quoten in welchen sie hochaktive Biofilme bilden (Abb. 3). Abb. 2: Die Meeresfisch-
der Nordsee und im Nordost-Atlantik aufgrund Sie säubern das vorbeiströmende Wasser, in- zucht im Saarland. Sie
der Bestandssituationen zum wiederholten Mal dem sie die von den Fischen ausgeschiedenen ist bislang weltweit die
senken. In dieser Situation gilt es, Alternativen Nährstoffe als Energie- und Stoffquellen nutzen. einzige marine Fischzucht
zu entwickeln, um die Versorgung mit frischem Mit dem Sauerstoff, der dort kontinuierlich dem im Binnenland.
Fisch sicherzustellen. Eine Option zur nachhal- Wasser zugeführt wird, wandeln Bakterien zum
tigen Deckung des Bedarfes ist die Aquakultur Beispiel das von den Fischen ausgeschiedene
in landbasierten Kreislaufanlagen, die abge- Ammoniak in Nitrat um. Diese Arbeit der „Nitri-
schlossen von der Umwelt quasi jede Fischart an fizierer“ ist wichtig, da höhere Ammoniakkonzen-
jedem Ort produzieren können. trationen für Fische gefährlich sind. Eine andere
Gruppe von Bakterien baut gelöste organische
Im Gegensatz zu konventionellen Kreislauf- Kohlenstoffverbindungen zu Kohlenstoffdioxid
systemen mit einer oft nur minimalen Pro- (Kohlendioxid) und Wasser um. Diese Bakterien
zesskette, wird am Institut für Physikalische tendieren dazu, die Biofilme der Nitrifizierer zu
Prozesstechnik (IPP) der htw saar ein Aqua- überwachsen. Als Folge sinkt die Abbaurate des
kulturkonzept verfolgt, in dem eine ausgefeilte Ammoniaks, was zu einer Verschlechterung der
Prozesstechnik für optimale Haltungsbedin- Wasserqualität führen würde. Der/die Prozessin-
gungen sorgt, wie in Abbildung 1 deutlich zu genieur/in muss diese Zusammenhänge bei der
sehen ist. Das Konzept und insbesondere die Planung berücksichtigen. Dabei helfen Biologen.
Umsetzung durch die neomar GmbH in einem Der Biologe Professor Waller, der im Institut für
Wirtschaftsunternehmen im Saarland (Abb. 2) Physikalische Prozesstechnik der htw saar viele
haben national und international großes Inter- interdisziplinäre Projekte betreut, sagt dazu:
esse hervorgerufen. „Prozess- und Automatisierungstechnik werden
eingesetzt, um den Bakterien immer ausreichend
Fische, egal ob sie im Ozean oder in Aquakul- Energie in Form von Nährstoffen zu liefern.
turanlagen schwimmen, benötigen Futter zum Gleichzeitig sorgt die Filtertechnik dafür, dass
Wachsen. Was sie davon nicht verwerten, schei- Bakterien, die aus Biofiltern ausgewaschen wer-
den sie aus. Im Ozean schwimmen die Fische den, stetig entfernt werden, sodass die Fische in
weiter; ihre Hinterlassenschaften sind Nährstoffe klarem Wasser leben“ (Abb. 1).
1 Fischwirtschaft, Daten und Fakten 2018. Hrsg.: Fisch-Informationszentrum e.V. ISBN 978-3-9818205-2-2