Page 65 - Jubibroschuere_2019
P. 65
Maschinenbau und Verfahrenstechnik
Versuche das „Aufformen von Durchzügen“ sollte. Mit einer Herstellung dieser Variante
entwickelt, welches bei Befestigungselementen ergaben sich aber zwei Nachteile, welche zur
die oben genannten Kriterien erfüllen konnte. Entscheidung geführt haben, das PKW-Struktur-
Ergebnis war ein Verfahren, bei dem ein „Gewin- bauteil zukünftig lasergeschweißt herzustellen:
dedurchzug“ durch Umformen erzeugt wird 15, 16
(siehe hierzu auch Abbildung 7): 1. nahezu doppelte Herstellkosten aufgrund eines
höheren Materialaufwands, eines zusätzlichen
Ausgehend von einer flachen Blechplatine wird Arbeitsgangs sowie höherer Handlingskosten;
zuerst eine Blechhalbkugel tiefgezogen, so dass
hinreichend viel Material im unmittelbaren Umfeld 2. reduzierte Bauteilfestigkeit, weil die umform-
des auszuformenden Tubus deponiert werden technisch bedingt oberflächennahe, festig-
kann. Durch stufenweises Vor- und Rückformen keitssteigernde Materialverdichtung zerspa-
entsteht ein im Blech integriertes Element (siehe nend entfernt und der Gefügeverlauf im Bauteil
Abbildung 8), das einer Hülse oder einer Gewin- unterbrochen wurde.
demutter (siehe Abbildung 7) ähnlich ist . Die
17
Grenzen dieses Verfahrens treten auf, wenn die Die Entscheidung, zu wechseln, wurde auch
Fließfähigkeit des Materials beispielsweise bei getragen von der strategischen Ausrichtung des
höherfesten Stählen verhindert, dass weder OEM, bei zukünftigen – auch elektromobilen –
die Radien des Durchzugs noch die Grund- Fahrzeuggenerationen zunehmend höher- und
form des Tubus vollständig ausgeformt sind. höchstfeste Stähle einzusetzen.
Außerdem treten Überlegfalten auf, welche bei
einer Belastung des Gewindes die Gefahr des Auf Grundlage früherer Arbeiten zum laserge-
Setzverhaltens und damit auch das Versagen der schweißten Durchzug 18, 19, 20, 21, 22 wurde eine
gesamten Schraubverbindung vergrößern. Geometrie erarbeitet, welche bei höchsten
Abb. 8: Simulation der Stadien-
gänge eines aufgeformten Ge-
windedurchzugs mit Simufact.
Forming.
(Quelle: eigene Darstellung)
Wegen des Bauteilversagens gem. Anfrage des Festigkeiten minimale Herstellkosten gewähr-
OEM im Jahr 2016 wurde mittels einer FEM- leisten sollte (siehe Abbildung 9). Entsprechende
Simulation auf Grundlage der verwendeten Para- Vorversuche und zerstörende Bauteilprüfungen –
meter der Prozess der mehrstufigen Umformung sowohl an der htw saar als auch bei den Projekt-
mit der Simulationssoftware Simufact.Forming partnern – wiesen deutlich bessere Ergebnisse
nachgebildet (Abbildung 8). Ziel dabei war, durch für die lasergeschweißte Lösung auf. Im Vergleich
eine Verbesserung der Geometrie zu überprüfen, zur konventionellen Lösung konnten sowohl
ob die vorgenannten Bauteilfehler wie z. B. gleichmäßigere Ergebnisse bei der Zugprüfung
18
Überlegfalten ohne eine Veränderung des Werk- des Bauteils als auch eine Steigerung der Aus-
stoffes vermieden werden konnten. Dies war reißkräfte um bis zu 50% erreicht werden. An die-
aber nicht der Fall. se ersten Versuche anschließende Prüfungen in
dynamischen Fahr- und Crashsituationen des OEM
Daraufhin wurden Überlegungen zur Verbesse- bestätigten diese Ergebnisse, so dass abschließend
rung des Bearbeitungsergebnisses angestellt, ein Vergleich der Bauteilkosten durchgeführt wurde,
indem eine Kombination von massivem Umfor- um nachweislich darzustellen, dass auch hier im
men und hochgenauer Zerspanung als zusätz- Falle eines Einsatzes höherfester Stähle erhebliche
licher Arbeitsgang zur Anwendung kommen Vorteile auftreten.