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72  aus forschung und wissenstransfer                                      pay-what-you-want             73




 bisherigen Forschungsergebnissen, in denen eine externe   Minimum Preis 4 Euro  ▶ PWYW-Praxistipps:  Weitere Informationen im Paper:
 Referenzpreisregelung keine Auswirkungen auf das Zahlungs-  14   Gross HP, Rottler M, Wallmeier F (2020). The

 verhalten der Kunden hat.  12  MW = 5.60 €    1.    Die Durchführung des PWYW-Modells   influence of external reference price strategies
 SD = 4.29
 Lediglich die Festsetzung eines Höchstpreises, in diesem   N = 31  benötigt gute Vorbereitung und eine Auf-  in a nonprofit arts organization’s »pay-what-
 Setting mit 15 Euro ein vergleichbar moderaterer Höchstpreis,   10  klärung der Besucher über das Preismodell.   you-want« setting. International Journal of
 kann die Zahlungsentscheidung beeinflussen. Hier zahlten   8     Nonprofit and Voluntary Sector Marketing

 die Besucher der Biennale signifikant mehr als bei den drei   Häufigkeit  6  2.    Mittels einer Besucherbefragung kann sich   2020;e1681.
 anderen Referenzpreisstrategien (siehe Abbildung).  4  die Kultureinrichtung über die Zahlungs-
                  bereitschaft ihrer Kunden informieren.          doi.org/10.1002/nvsm.1681
 2                Ergänzt werden kann dies durch eine Re-
 0                cherche nach generellen Durchschnitts-
 Hohe Anzahl an Nichtbezahlern     0   3   4   5   6   7   7,5    8   10    20  ausgaben für kulturelle Angebote in der Re-
 Bezahlter Preis
 im Kultursetting ausgemacht  Maximum Preis 15 Euro  gion über öffentliche statistische Erhebun-
                  gen.
 14  MW = 7.95 €
 Auffällig bei diesem Feldexperiment war, dass sich viele der   12  SD = 4.42    3.   Durch die Festlegung und Kommunikation   literaturverweise
 Besucher im Vergleich zu bisherigen Studien dafür entschie-  10  N = 33  eines Referenzpreises wird dem Besucher
 den haben, nichts für die Ausstellung zu bezahlen. Nach den   8  in Form eines Zahlungsankers Orientie-  Actori GmbH (Hrsg.) (2016): Mission related pricing – Ein Weg zur
                                                                  Steigerung der Einnahmen? In: actori insight, Jg. 2016, Nr. 1,
 Ansichten der Wissenschaftlerinnen könnte dies einerseits   Häufigkeit  rung geboten. Dieser sollte im Hinblick auf   Online verfügbar unter: https://www.actori.de/fileadmin/PDF_
                                                                  PPT_DOC_XLS/actori_insight_01-16.pdf, zuletzt geprüft am
 auf das Studiendesign eines Feldversuches zurückzuführen   6  das durchgeführte Feldexperiment höher   20.07.2020.
 sein. Denn in diesem haben die Besucher gegenüber einem   4  als der Durchschnittspreis sein, um die   Frey, B. S. & Steiner, L. (2010): Pay As You Go: A new Proposal for
 Laborexperiment eigene reale Ausgaben und würden somit   2  Zahlungsbereitschaft der Kunden best-  Museum Pricing. Hrsg. v. Institute for Empirical Research in
 stärker verlustminimierend denken. Andererseits sind Kultur-  0  möglich auszureizen.   Economics. University of Zurich. Zürich (Working Paper Series,
                                                                  485). Online verfügbar unter http://www.econ.uzh.ch/static/
 programme in Deutschland stark durch die öffentliche Hand     0   3   4   5   6   7   7,5    8   10    20  wp_iew/iewwp485.pdf, zuletzt geprüft am 20.07.2020.
 Bezahlter Preis
 finanziert und somit häufig ohne oder mit geringem Eintritt   4.   Zu beachten ist außerdem, dass Kunden   Schößler, T. (2016): Preispolitik für Theater: Strategische
 versehen, sodass eine hohe Anzahl an Nichtzahlern auch   Preisempfehlung 7 Euro  nicht immer den vollen Eintritt bei PWYW-  Preisgestaltung zwischen Einnahmesteigerung und öffentlichem
 spezifisch für den Kultursektor sein könnte.   14  Eintrittspreisen bezahlen. Dies sollte bei   Auftrag, Springer VS, Wiesbaden.
 Mit den bisherigen Forschungsergebnissen überein   MW = 3.97 €    der Budgetplanung berücksichtigt werden  Stegemann, M. (2016): Pay What You Want im Museum – Risiko
 stimmte der Gesamtmittelpreis: Durchschnittlich bezahlen   12  SD = 3.64    oder Chance? Online verfügbar unter https://www.kulturmanage-
                                                                  ment.net/Themen/Pay-What-You-Want-im-Museum-Risiko-
 N = 33
 also auch Kulturbesucher bei einem PWYW-Preismechanis-  10       oder-Chance,2054, zuletzt geprüft am 20.07.2020.
 mus weniger, als der Standardmarktpreis eigentlich beträgt.   8
 Manager in gemeinnützigen kulturellen Organisationen, die   Häufigkeit  6  für kulturelle Produkte und Dienstleistungen erreicht
 PWYW als Zahlungsmechanismus nutzen, sollten dies in ihren   4  werden. Auch wenn für die Organisationen zur Um-
 Projektkalkulationen berücksichtigen. Darüber hinaus ist es   setzung des PWYW zunächst ein hoher Aufwand in
 gerade in kulturellen Kontexten für die Besucher äußerst   2  Form einer Erstinvestition und verstärkten Kommu-
 schwer, die Qualität und den preislichen Wert von immate-  0    0   2,50   5   6   7   7,50    10    20  nikationsanforderungen erforderlich ist, so können
 riellen Kunstprodukten zu beurteilen. Die Angabe eines exter-  Bezahlter Preis  mit der Einführung des Preismodells die Eintritts-
 nen Referenzpreises kann daher insbesondere bei einer   barriere gesenkt und Wiederholungsbesuche ge-
 PWYW-Bezahlung in Kulturorganisationen den Besuchern   Keine Preisempfehlung  steigert werden. Bei Organisationen, deren variable
 Orientierung bieten. Wobei dieser eher höher gewählt werden   14  MW = 4.41 €    Kosten möglichst gering sind, kann sich PWYW fi-
 sollte.  12  SD = 4.38    nanziell lohnen. Weiterhin verstärken aktionsweise
 N = 33     PWYW-Durchführungen die Aufmerksamkeit für die
 10         Organisation. PWYW stellt daher eine geeignete
 Dennoch bietet PWYW großes   Häufigkeit  8  Marketingstrategie für gemeinnützige (Kunst-)Orga-

 Potential für Kulturpraxis  6  nisation dar, um ihr Publikum in Übereinstimmung   k ont ak t
 4          mit ihrem Bildungsauftrag zu vergrößern und zu di-        Prof. Dr. Hellen Gross
 2          versifizieren. Im Rahmen der partizipativen und de-       Allg. Betriebswirtschaft und Nonprofit
 Großes Potential hat PWYW insofern, dass der partizipative   0  mokratischen Entscheidungsprozesse ist der parti-  Management
 Preismechanismus mögliche finanzielle Eintrittsgrenzen im     0   5   6   7   7,50    8   10    20  zipative Preisbildungsmechanismus weiterhin ein   Waldhausweg 7
 Kultursektor senken kann, so die Wissenschaftlerinnen. Damit   Bezahlter Preis  spannendes Forschungsfeld.  66123 Saarbrücken
 könnten auch einkommensschwache Bürger als Zielgruppe   Abbildung des bezahlten Preises nach Referenzpreisstrategie       T +49 (0)681  5867 – 526
                                                                      hellen.gross@htwsaar.de
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