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8  wie läuft’s denn so, start-ups?                      odion                                             9



 ODION      schen Abteilungen von Konstruktion bis Produktion indivi-  Unternehmen gearbeitet. Momentan arbei-

            duelle Software auf Basis offener Lizenzen. Andere Software-
                                                                     tet er viel am Unternehmen, ohne die Kun-
            module verarbeiten Zustandsdaten von Werkzeugmaschinen  den aus den Augen zu verlieren. »Alles eine
 Digitalisierungsoffensive   ebenso wie Rückmeldungen aus der Produktion und bieten  Frage der persönlichen Entwicklung. Ich
            damit die Grundlage für den digitalen Umstieg auf einen  probiere mich aus«, erklärt Thomas Butter-
            Industrie -4.0 -Standard. Dabei ist die Plattform modular auf-
                                                                     bach, »und habe viel gelernt. Zum Beispiel
 für den Mittelstand  gebaut, angepasst an den tatsächlichen Betriebsbedarf,  mich nicht ständig rückzuversichern.«
            durchgängig ohne einen komplexen, programmtechnischen
                                                                        In den ersten Urlauben konnte der Jung-
            Überbau und hohe Lizenzkosten.
                Butterbach nennt den Mittelstand erfrischend. »Im Ter-  unternehmer nicht wirklich abschalten. »Ist
                                                                     vielleicht auch normal, wenn das Start -up in
            min kommen die Chefs schnell zur Sache. In 95 Prozent der  den Anfängen steckt. Mittlerweile klappt das
            Fälle sind die Probleme gleich auf dem Tisch und die Anfor-  ganz gut.«
 text Iris Krämer-Schmeer  derungen klar.«                              Oftmals tue der Abstand sogar gut, um
                Dass er selbst und sein Unternehmen noch jung seien,  Dinge zu Ende zu denken, Entscheidungen
            bei altgedienten Unternehmern gegebenenfalls Skepsis her-  zu treffen, neue Wege einzuschlagen. »Dann
            vorrufen, ficht Butterbach nicht an. »Unsere Kunden sind  kommen solche Gedanken ganz von selbst,
 in Tischkicker mitten im Working-  überwiegend Einzelfertiger, Unternehmen aus dem Metall-  ohne mich zu belasten oder meine Urlaubs-
 Space, Baristakaffee mit Crema -  und Vorrichtungsbau sowie Werkzeugmacher. Entsprechend  freude zu schmälern.«
 E Chichi, IT -Nerds im Hoodie — die   ähnelt sich die Aufgabenstellung. Wenn es darum geht, die   Von Start -ups lernen — gibt es da was?
 gängigen Klischees über Start -ups treffen auf   Produktion, die Intralogistik oder andere Bereiche neu und  Es seien vor allem die konservativen Mittel-
 ODION so gar nicht zu. Stattdessen ein funk-  effizienter abzubilden, merken die Unternehmer sehr schnell,  ständler, die stets auf Nummer sicher gehen
 tionaler, heller Besprechungsraum und re-  dass wir das Know -how mitbringen.«   wollen und wenig Risikobereitschaft zeigen.
 präsentative Büros als Nährboden für neue   Insofern, räumt Butterbach ein, hätte auch ein offensives  »Wer Angst davor hat, etwas falsch zu
 Ideen. »Wir sind stark gewachsen. Aus ehe-  Marketing für sein Unternehmen nie im Vordergrund gestanden.  machen, findet keine Innovation«. Davon ist
 mals drei Gründern sind dreizehn Mitarbeiter   Im Mittelstand gehe es um Vertrauen und echte Referenzen.  Geschäftsführer Butterbach überzeugt.
 geworden«, erläutert Geschäftsführer Tho-  »Mundpropaganda zahlt sich für uns mehr aus als eine
 mas Butterbach. »Darum haben Malte Jaco-  aggressive Werbepolitik oder Präsenz in sozialen Medien.«       
 bi und ich unsere Keimzelle im Gründerzen-
 trum der Hochschule geräumt und nur wenige
 Meter weiter am InnovationsCampus Saar   Wachstum durch klare
 neue Räume bezogen.«  Strukturen und neue Rolle
 2016 ging ODION mit einem EXIST -Grün-
 derstipendium an den Start. Vorausgegan-
 gen waren eine mehrjährige Analyse des   Und sonst? »Es gibt viel zu tun, keine Frage«, bestätigt But-
 regionalen Mittelstands durch das Institut   terbach augenzwinkernd. »Wir sind sehr schnell gewachsen
 für Industrieinformatik und Betriebsorgani-  und haben gemerkt, dass der Organisationsaufwand bei
 sation (ibo) an der htw saar und die Erkennt-  ODION enorm steigt. Sich selbst organisieren, Abläufe zu
 nis, dass kleine und mittelständische Unter-  harmonisieren, das haben wir bis dato eher vernachlässigt«,
                                                                                   Malte Jacobi,
 nehmen (KMU) einen hohen Nachholbedarf   räumt Butterbach selbstkritisch ein. »Wir können nicht wie   technischer Geschäftsführer
 haben, wenn es um die Digitalisierung von   zu Anfang einfach alle loslegen. Das Prinzip ›jeder macht
 Unternehmensprozessen geht. »Durch die   alles‹ passt nicht mehr.« Professionalisierung sei nun gefragt.
 Studie hatten wir vom ersten Tag an Kun-  Ebenso wichtig, Aufgaben zu übertragen. Zu den unterneh-
 den«, berichtet Butterbach. »Insofern war   merischen und technischen Kompetenzen kommen für ihn
 der Start von ODION vielleicht nicht typisch   nun Führungskompetenzen hinzu. »Wir wollen intern Struk-
 für Gründer, die sich ihre Kundschaft erst   turen schaffen, ohne zu formell zu werden.« Die Flexibilität,
 erarbeiten müssen.«   die ein Start -up ausmacht, soll erhalten bleiben, versichert
 Auch die Geschäftsidee von ODION dürf-  der studierte Wirtschaftsingenieur. »Es gab Zeiten, da kam
 te maßgeblich zum Erfolg beitragen: Das   ich mir vor wie ein Teller -Jongleur, weil alles gleich wichtig
 Unternehmen erstellt sowohl für die klassi-  erschien: Ich wollte intern die Fäden in der Hand halten und
 schen Warenwirtschaftsbereiche (Verkauf,   gleichzeitig sicherstellen, dass wir allen Kunden gerecht   Thomas Butterbach,
 Einkauf und Lager) als auch für die techni-  werden.« Zunächst habe er gemeinsam mit den Gründern im   kaufmännischer Geschäftsführer
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