Page 24 - HTW_25_Jahre_Forschung
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Wissenschaftlicher Nachwuchs
Sandra Hahn
Kriminologie, die „Lehre vom Verbrechen“, ist eine interdiszipli-
näre Wissenschaft. In ihr fließen die Erkenntnisse verschiede-
ner Fachrichtungen der Psychologie, Sozialwissenschaften, Jura
usw. zusammen. So oder ähnlich beginnen die Gespräche mit
Frau Dr. Hahn, wenn sie ihr Tätigkeitsfeld erklärt. Nein, Spuren-
sicherung am Tatort und Beschuldigtenvernehmungen gehören
nicht dazu, das machen Kriminalisten, und CSI Miami sei nicht
ihre Lieblingssendung. Sie betreibe Devianzforschung, ergründe
das Abweichen von sozialen Normen und gesellschaftlichen
Werten.
Ihre Berufung fand die junge Kriminologin schon vor dem Mas-
terstudium an der Ruhr-Universität Bochum. Über ihre Promo-
tion ist sie dann in das akademische Leben hineingewachsen.
„Vom Tatort zum Täter – was Fotografien verraten“ lautet der
Titel ihrer Promotion, die sie unter der Betreuung von Professor
Klaus Kraimer (htw saar) an der Johannes-Gutenberg-Universi-
tät einreichte.
Seither gleicht der Alltag der jungen Doktorin einem Spagat zwi-
schen Forschung und Lehrtätigkeit. Gemeinsam mit den Lan-
deskriminalämtern Saarland und Rheinland-Pfalz sowie dem
Police Grand Ducale in Luxemburg hat das Forschungsteam um
Prof. Kraimer und Dr. Hahn in vier Jahren ein Handlungskonzept
zur Bewältigung von Geisel- und Bedrohungslagen entwickelt.
Einsatzkräfte, polizeiliche Verhandlungsgruppen u. a. haben
nun die Möglichkeit, eine methodisch kontrollierte Täter- und
Gefährdungseinschätzung vorzunehmen, mit dem Ziel, eine
schnelle und gewaltfreie Lagelösung herbeizuführen. Seit das
Konzept im Februar 2014 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde,
häufen sich die Anfragen aus Ministerien, Hochschulen und
Polizeistellen im In- und Ausland. Selbst deutsche Beamte in
Afghanistan forderten die Forschungsergebnisse an. Beide
Wissenschaftler initiieren gegenwärtig einen zertifizierten
Weiterbildungsgang, um den Anfragen gerecht zu werden. Dass
die Lehre der zierlichen Polizeiwissenschaftlerin mindestens
ebenso wichtig ist, zeigen nicht zuletzt ihre stets ausgebuchten
Seminare. Dort werden Sozialarbeiter/innen anhand echter
Fälle auf die Bewältigung und Prävention von Krisenfällen wie
Amok, Suizidandrohung oder „Happy Slapping“ (körperlicher An-
griff auf in der Regel unbekannte Personen, der mitgefilmt und
im Internet veröffentlicht wird) vorbereitet. Ein Masterstudien-
gang Kriminologie an der htw saar – das wäre ihr Wunsch. Die
Nachfrage wäre zweifelsohne hoch, deutschlandweit existieren
nur fünf Standorte, an denen Master-Kriminologen ausgebildet
werden.
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